Die Pflicht zur Anbindung logopädischer und anderer Heilmittelpraxen an die Telematikinfrastruktur (TI) wird auf Oktober 2027 verschoben. Viele Praxisinhaber dürften aufatmen. Nicht wenige hatten bereits laut geäußert, man würde eher „hinschmeißen“, als sich diesem Bürokratiemonster zu unterwerfen.

Bürokratiemonster Telematikinfrastruktur – Bedrohung für kleine Praxen
Zum 01.01.2026 sollen laut Gesetz auch logopädische Praxen verpflichtend an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sein. Andernfalls drohen erhebliche Einschränkungen – spätestens mit der Einführung des E-Rezepts zum 01.01.2027 wird eine Berufsausübung auf dem bisherigen Weg kaum noch möglich sein.
Was ist die Telematikinfrastruktur – und wer steckt dahinter?
Hinter dem Begriff verbirgt sich ein digitales Kommunikationsnetzwerk für das Gesundheitswesen. Zuständig dafür ist die gematik GmbH, die sich zu 51 % im Besitz des Bundesministeriums für Gesundheit befindet. Weitere Gesellschafter sind der GKV-Spitzenverband (22,05 %) sowie Organisationen der Ärzteschaft, Apotheken und Krankenhäuser.
Die zentrale Aufgabe der gematik ist der Aufbau und Betrieb einer sicheren, digitalen Infrastruktur für den Austausch sensibler Gesundheitsdaten – etwa bei E-Rezepten, elektronischen Verordnungen oder der Kommunikation mit Krankenkassen.
Sicher oder überreguliert?
Begründet wird die TI mit Datenschutzbedenken: Kommunikation per Telefon, E-Mail oder Fax sei potenziell unsicher, da Dritte Zugriff auf Patientendaten erlangen könnten. Solche Risiken bestehen theoretisch – in der Praxis sind jedoch kaum Fälle bekannt, in denen Patientendaten durch diese herkömmlichen Wege missbraucht wurden, geschweige denn echte Schäden entstanden sind.
Natürlich ist der Wunsch, Papierdokumente zu ersetzen, nachvollziehbar. Doch die TI wird in ihrer jetzigen Form zu einem hochkomplexen, technisch und organisatorisch kaum zu bewältigenden Konstrukt, insbesondere für kleine Heilmittelpraxen.
Was benötigen Praxen für den TI-Anschluss?
Der Zugang zur TI ist aufwendig und setzt eine Vielzahl an technischen Komponenten voraus:
• einen oder mehrere Computer (i. d. R. mit Windows),
• einen stabilen Internetanschluss,
• eine SMC-B-Karte (Institutionskarte),
• einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA),
• ein E-Health-Kartenterminal,
• einen Vertrag mit einem zertifizierten TI-Gateway-Anbieter (derzeit nur vier verfügbar),
• einen VPN-Zugangsdienst,
• sowie ein kompatibles Praxisverwaltungssystem (PVS).
Folgen für den Praxisalltag
Insbesondere Einzelpraxen ohne Verwaltungspersonal stehen vor einer massiven Herausforderung. Die technischen Anforderungen, die Koordination mit mehreren Dienstleistern sowie die laufenden Kosten belasten diese Betriebe enorm.
Zudem ist bis heute unklar, wie viele zentrale Fragen der praktischen Umsetzung gelöst werden sollen. Ein Beispiel: Derzeit müssen Heilmittelerbringer gegenüber den Krankenkassen mit der Unterschrift des Patienten nachweisen, dass eine Behandlung stattgefunden hat. In einer rein digitalen TI-Struktur ist dieser Nachweis bislang nicht geregelt.
Auch das Problem fehlerhafter ärztlicher Verordnungen – derzeit einer der häufigsten Gründe für Kürzungen und Absetzungen durch Kassen – dürfte sich verschieben: Entweder wird das System solche Fehler automatisch verhindern (was zweifelhaft ist), oder neue technische Prüfmechanismen müssen her.
Widerstand? Klage? Rückzug?
Viele Logopäd:innen fragen sich: Muss man das hinnehmen?
Fakt ist: Bis zur verpflichtenden Einführung des E-Rezepts 2027 könnte es noch möglich sein, auf herkömmlichem Weg zu arbeiten. Doch schon vorher ist damit zu rechnen, dass viele Arztpraxen nur noch über die TI kommunizieren wollen – und sich weigern, Papierverordnungen oder alternative Kanäle zu nutzen.
Zwar sieht der Gesetzgeber eine monatliche TI-Kostenpauschale (ca. 200 € plus Zuschläge je Mitarbeiter) vor. Doch allein die Erstausstattung schlägt mit mehreren tausend Euro zu Buche, hinzu kommen Wartung, Softwarelizenzen und Schulungsaufwand.
Verfassungswidrig?
Angesichts der Belastungen stellt sich die Frage, ob die TI-Pflicht für Heilmittelerbringer nicht verfassungsrechtlich überprüft werden sollte. Vor allem für kleine Praxen ohne Verwaltung scheint die Zumutbarkeit längst überschritten.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Jahren ihre Praxen bereits aufgegeben. Die TI-Pflicht dürfte diesen Trend verstärken – mit massiven Folgen für Patient:innen, die schon heute große Schwierigkeiten haben, einen Therapieplatz zu finden.
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