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Nina Warken © 2024 Tobias Koch

An die Bundesgesundheitsministerin: VDLS fordert bessere Vergütung und politische Weichenstellung

Die neue Regierungskoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass es verbindliche Sprachstandsuntersuchungen für Kinder im Vorschulalter geben soll. Diese Maßnahme soll helfen, sprachliche Defizite frühzeitig zu erkennen und zu beheben – ein Schritt, der angesichts alarmierender internationaler Vergleichsstudien über die Sprachkompetenz deutscher Kinder grundsätzlich zu begrüßen ist.

Doch der Verband Deutscher Logopäden und Sprachtherapeuten (VDLS) erinnert daran, dass es bereits seit 2007 ein vergleichbares Programm gab: die sogenannte „Delfin 4“-Untersuchung. Damals wurde festgestellt, dass rund 65 Prozent der Vorschulkinder einen sprachtherapeutischen Förderbedarf aufwiesen. Diese Zahl sorgte für große Beunruhigung und wurde daraufhin nicht durch gezielte Fördermaßnahmen, sondern durch eine Senkung der diagnostischen Anforderungen „korrigiert“, sodass nur noch etwa 25 Prozent der Kinder als therapiebedürftig eingestuft wurden.

Die damalige Hoffnung, dass durch diese Erkenntnisse die Sprachtherapie – und damit auch der Beruf der Logopädin bzw. des Logopäden – mehr gesellschaftliche und gesundheitspolitische Anerkennung erfährt, erfüllte sich nicht. Stattdessen wurde versucht, sprachliche Förderung in den Kindertageseinrichtungen aufzufangen, obwohl diese über keine vergleichbare therapeutische Expertise verfügen. Die unzureichende Wirksamkeit dieser Strategie spiegelt sich bis heute in den Ergebnissen der PISA-Studien wider, die kontinuierlich Defizite in den sprachlichen und schriftsprachlichen Kompetenzen deutscher Schülerinnen und Schüler aufzeigen.

Parallel dazu zeigt sich eine bedenkliche Entwicklung innerhalb der Berufsgruppe: Während in anderen Gesundheits- und Sozialberufen die Einkommen in den letzten Jahren teilweise deutlich gestiegen sind, bleibt die Vergütung in der Logopädie weiterhin deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. Dies führt zu einem zunehmenden Fachkräftemangel: Die Zahl der Logopädinnen und Logopäden sowie der logopädischen Praxen in Deutschland ist rückläufig. Die Folge ist eine bereits heute spürbare Unterversorgung – mit gravierenden Auswirkungen für Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen.

Der VDLS appelliert daher an die neue Bundesregierung und insbesondere an die ernannte Gesundheitsministerin, die Versorgungssituation im Bereich Logopädie ernst zu nehmen und strukturelle Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Dazu gehört insbesondere eine angemessene Vergütung für sprachtherapeutische Leistungen sowie bessere berufliche Rahmenbedingungen, um den Nachwuchs zu sichern und die Versorgung langfristig zu stabilisieren.

Auch in anderen Gesundheitsberufen zeigt sich eine besorgniserregende Entwicklung: So hat ein aktueller Schiedsspruch im Bereich der Hebammen dazu geführt, dass viele freiberuflich tätige Hebammen ihre Arbeit wirtschaftlich kaum noch aufrechterhalten können. Leistungen wurden gekürzt, Vergütungen stagnieren, und die Arbeitsbelastung steigt. Dieser Eingriff gefährdet nicht nur den Berufsstand, sondern auch die flächendeckende Versorgung von Schwangeren und Gebärenden – insbesondere außerhalb von Kliniken.

Diese Entwicklung macht deutlich: Wenn Gesundheitsberufe strukturell vernachlässigt werden, drohen Versorgungslücken mit weitreichenden Folgen. Auch in der Logopädie ist dieser Punkt längst erreicht.Sprache ist ein zentrales Instrument der Teilhabe – in Bildung, Beruf und Gesellschaft. Wer Sprachförderung ernst meint, muss auch die Rahmenbedingungen für diejenigen verbessern, die diese Förderung professionell leisten.

 

Manfred Herbst

1. Vorsitzender VDLS

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